18. April 2022: Der Krieg in der Ukraine – nach sechs Wochen:
Eine weltpolitische Wende?
Der Krieg, der Einmarsch der Russen in die Ukraine, stellt alle bisherigen Auseinandersetzungen in den Schatten, da sich Verhalten, Instrumente und Vorgehensweise, in einer nun globalen Welt, fundamental verändert haben, mit neuen medialen Instrumenten, und damit einer neuen Art psychologischer Kriegsführung, die auf einer bisher unbekannt radikalen Ebene ausgefochten wird, wie sie keinerlei Erkenntnisse aus historischer Erfahrung zulassen.
Dazu kommt, dass, beim Aggressor wie auch bei der angegriffenen Ukraine – mit all den medial für jedermann zugänglich ungeheuren Gräuel –, derzeit nicht der leiseste Ansatz eines Einlenkens beider zu erkennen ist (eben, wieder einmal bis beide am Ende sind).
Auch der Westen tut sich schwer, scheint er doch selbst den medialen und nun weltweit geführten, psychologisch so offensichtlich professionell genutzten Einlassungen, fast schutzlos ausgeliefert. Reihum, in fast endlosen Besuchen, geben sich Spitzenpolitiker des Westens in der Ukraine die Türklinke in die Hand, kommen geflissentlich den täglich neuen Forderungen weitestgehend nach, und bemerken offensichtlich nicht, dass sie sich hier langsam, schrittweise, immer stärker in die Verwicklungen mit einbeziehen lassen. Gefordert sind immer mehr, immer schwerere Waffen, Munitionen, Raketensysteme etc. wie sie in langen Listen vorgelegt – und dann auch brav abgearbeitet werden.
Man frägt sich, falls die ersten taktischen Atomwaffen eingesetzt werden, wie wird dann – mit den bekannt zwingenden Forderungen, eben solche zu liefern – der Westen damit umgehen? Wohl werden einzelne der demokratischen Staaten den Wünschen auch brav folgen. Aber was dann, wenn der erste Atomschlag folgen sollte?
Ist doch offensichtlich, dass – seit Beginn der Auseinandersetzung – der ukrainische Präsident tagtäglich immer mehr fordert. Und so langsam, aber sicher, den Westen, bei den bisher noch begrenzten Auseinandersetzungen, in einen globalen Weltkrieg mit einbeziehen will – zu offensichtlich sind seine Bestrebungen. Was sollen denn u.a. zum Beispiel die Forderungen Öl- und Gaslieferungen sofort zu unterbinden. Was zwangsläufig den Westen in unabsehbare wirtschaftliche Probleme hineinschlittern lassen muss; und dennoch zeigt sich, der stetge Tropfen höhlt den Stein (im Westen). Oder meint man allen Ernstes, dass Putin – sein Riesenreich moralisch und administrativ fest im Griff, unterstützt durch „seine“ Kirche (mit also entscheidender moralischer Breitenwirkung), dazu bei seinem ausgeprägten Ego und dieser unbegrenzten Rücksichtslosigkeit – tatsächlich die militärischen Optionen eindämmen würde (geschweige müsste)? Schließlich bezahlt er seine Mannschaft in Rubel, und nicht in Dollar oder Euro – und die, kann er endlos drucken lassen (was zählen in solchen Auseinandersetzung lokal wirtschaftliche und menschliche Probleme, geschweige materielle Restriktionen. Denken wir nur an den Ersten wie den Zweiten Weltkrieg). Wie kann man nur glauben – kein Öl und Gas, und damit kein Geld –, lässt den Angriffskrieg abbremsen, geschweige beenden (wirkt so etwas doch nur sehr langfristig – wie immer schon. Beispiel Nordkorea)!
Was aber auch neu ist – und damit ohne geschichtliche Erfahrung –, sind Selenskyjs Fähigkeiten des geschickten Einflusses in den Entscheidungsgremien, den Parlamenten und Versammlungen des Westens, medial aufzutreten und (schauspielerisch) gekonnt, abgestimmt auf lokale Empfindlichkeiten, seine Wünsche zu deponieren, besser, nachdrücklich, fast drohend, zu fordern. Und es wirkt! Das Verhalten geht selbst soweit – undenkbar bis dato –, dass Staatsoberhäupter nach Belieben kritisiert, ein- oder ausgeladen, für „schuldig“ befunden werden (auch wenn nichts der Wahrheit entspricht) oder das Gewissen belasten sollte. Einige seiner Botschafter gehen noch weiter – so dass man, als Europäer, sich schon persönlich angegriffen fühlt, das eigene Engagement schon mal überdenkt. Noch wird alles zerknirscht geschluckt, unter den tagtäglich schrecklichen Bildern der Vernichtung eines ganzen Landes.
Das führt zur strategischen Frage: Wie könnte es enden? Putin – soweit wir Ihn begrenzt beurteilen können – kann und wird nicht nachgeben. Aber Selenskyj offensichtlich ja auch nicht. So nimmt das Unwohlsein zu: Ist der eine doch ein ausgewiesener Diktator (mit entsprechendem Curriculum!); aber der andere, ein Demokrat? Eigentlich gibt es nur zwei reale Alternativen: 1. Russland, mit seiner endlosen Weite, 150 Millionen Einwohnern, die Putin medial (und ethisch) fest im Griff hat, ein Land über die Jahrzehnte militärisch gestählt, und durchaus mit weltweit politischem Einfluss (denken wir an China, aber auch an Indien u.v.a., aber auch selbst mit Beziehungen im Westen) wird nicht aufgeben, bis das Land total zerstört und einverleibt ist (und der Westen ahnen kann, was drohen könnte). 2. Der Ukraine gelingt es, schrittweise, den Westen mit einzubeziehen, bis der dritte Weltkrieg ausgelöst wird. Dann aber entscheidet das Zerstörungspotenzial!
Oder meinen wir tatsächlich, dass die Ukraine gewinnen kann (mit dann unzähligen Toten und totaler Zerstörung); folglich über Putin dominiert, und er sich das gefallen ließe (als Diktator)? Und wie soll es dann weitergehen – will die Ukraine die Grenze überschreiten? Wie soll das denn über Generationen funktionieren? Wieso erkennen wir dieses Dilemma nicht, und reagieren entsprechend. Haben doch die letzten Wochen verbaler Drohungen Russlands gegen die NATO (nun sogar gegen Schweden und Finnland) so gravierend zugenommen, wie es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch nie der Fall war (ausgenommen die Kubakrise, und die war auf die USA begrenzt). Um nicht missverstanden zu werden, natürlich ist das Leid in der Ukraine unerträglich, und Demokratien sollten unterstützt werden – aber nicht, wenn ein Dritter Weltkrieg, eine weltweite Vernichtung droht! Ist doch auch die Bemerkung völlig haltlos, dass die Ukraine für unsere Demokratien kämpft. Vor allem kämpft sie für sich selbst (als ein schweres historisches Erbe), so erzwingt sich die Unterstützung, allerdings strategisch begrenzt – mit Augenmaß, bei den undiskutabel katastrophalen Alternativen (und den völlig neuen technologischen wie medialen Fähigkeiten, aber auch, in einer nun globalen, wenn ideologisch bereits wieder getrennten Welt).
Dass der Westen allerdings sein bisherig so naives „Friedensverhalten“ (auf Kosten anderer, z.B. der USA), wie andere, über Generationen vernachlässigte schwerwiegende Probleme („Demokratie-Illusionen“), überdenken muss, sollte nun endlich aber auch allen klar sein!